Construction 4.0: Vorteile und Möglichkeiten der Digitalisierung
Construction 4.0: Vorteile und Möglichkeiten der Digitalisierung
Viele Bau-Unternehmen haben die Vorteile und Möglichkeiten der Digitalisierung erkannt, doch die Einführung und Etablierung bleibt mühsam und die Baubranche hinkt vielen andere Branchen hinterher. Wir von Teamsware fragen uns, woher diese gravierenden Unterschiede kommen und welche Auswirklungen diese mitbringen?
Als Experten haben wir dazu Prof. Sven Rogalski befragt. Rogalski ist seit September 2014 an der Hochschule Darmstadt. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Leit- und Steuerungstechnik. Zudem ist er Leiter der Forschungsgruppe Assisted Working and Automation (AWA).
# Vielfalt der Branche
Die Baubranche ist vielfältig, zig Akteure sind an Bauprojekten beteiligt. Um sich an der Klischeekiste zu bedienen: Architekten mit weißem Schal und iPad gehören ebenso dazu wie der braungebrannte Polier, der mit seinen großen, schwieligen Händen kaum die Tasten seines Smartphones bedienen kann. Die Baustelle ist ein Ort, wo Menschen mit unterschiedlichen Fertigkeiten, Lebensgeschichten, Nationalitäten und Sprachen zusammenkommen, um gemeinsam etwas zu erschaffen. „Diese Heterogenität in all ihren Facetten ist eine Herausforderung“, so Prof. Sven Rogalski. „Während die einen vom Haus aus dem 3D-Drucker träumen, wären andere schon froh, wenn sie Arbeitszeiten durchgängig digital erfassen könnten.“
Der Bausektor besteht aus einer Vielzahl von Akteuren, wie Architekten, Bauunternehmen, Lieferanten und Auftragnehmern, die oft unabhängig voneinander agieren. Wir sprechen hier von Generalunternehmen, Baustofflieferanten, Planern und allen, die an der Bauausführung beteiligt sind: Maurer, Dachdecker, Elektriker etc. Die Vielfalt der Profis, die gebraucht werden, um ein Haus zu bauen, ist enorm. Und dadurch entstehen Informationslücken und Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit. Die Digitalisierung erfordert jedoch einen umfassenden Datenaustausch und eine nahtlose Integration von Informationen über verschiedene Phasen des Bauprozesses hinweg.
# Fehlendes digitales Know-how
Viele Unternehmen sind noch nicht ausreichend auf die digitale Transformation vorbereitet oder sehen schlichtweg nicht die Potenziale von digitalen Technologien zur Erledigung ihrer täglichen Arbeiten. In einer Umfrage, die im Sommer 2023 im Baublatt veröffentlichte wurde, ging es um die Frage, was die Bauunternehmen von der weiteren Digitalisierung abhalte. Und hier zeigt sich deutlich die große Bedeutung des Faktors Mensch: Nur 18 Prozent nannten hohe Investitionskosten als Hemmnis für Digitalisierung, aber fast jeder zweite (44 Prozent) gab an, es sei die Unentschlossenheit der Geschäftsführung, die weitere Digitalisierungsschritte verhindere. Hinzu kommen Widerstand von Mitarbeitern (13 Prozent) sowie wenig Wissen und eine fehlende Ausbildung (11 Prozent). Prof. Rogalski betont „wie wichtig Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen sind, um die digitale Kompetenz in der Branche zu stärken. Es wird darum gehen, den Fachkräftemangel auszugleichen und digitale Prozesse erfolgreich zu etablieren.“
# Jede Baustelle ist einzigartig
Ein weiterer Hemmschuh auf dem Weg zur „Digital Construction“ wurde in der Roland Berger Studie von 2016 in der Komplexität von Bauprojekten hervorgehoben. Die Digitalisierung erfordert eine genaue Modellierung und Planung, um die Effizienz und Qualität zu verbessern. Dies kann jedoch schwierig sein, da Bauprojekte oft eine Vielzahl von Variablen und Unwägbarkeiten beinhalten. Die Studie betont die Notwendigkeit von digitalen Tools, die eine präzise Planung und Steuerung ermöglichen, um die Komplexität zu bewältigen. Prof. Rogalski: „Die Studie ist ja schon älter und bei den digitalen Tools sehen wir, dass sich in der Bauausführung neue Tools langsam etablieren, die präzise und genau einen konkreten Mehrwert bieten, wie mobile Applikationen zu digitalen Warenwirtschaftssystemen oder zur Baufortschrittsdokumentation und automatischen Mängelerkennung. Bei letzterem hat bspw. meine Forschungsgruppe mit unterstützenden Entwicklungstätigkeiten des Helmkamerasystems DIGIBAU 360 einen aktiven Beitrag geleistet“. Derartige Services sind einfach und konkret und bieten Zeit- und Kostenvorteile. Doch auch komplexere Lösungen fassen in der Branche mehr und mehr Fuß: Der Maurerroboter Hadrian aus Australien, der in 2 Tagen ein Einfamilienhaus hochzieht oder der semi-autonome Roboter Jaibot, der präzise Löcher in der Decke vorbohrt. Rogalski: „Automatisierungslösungen werden sich künftig auch dort durchsetzen, wo sie die Mitarbeiter bei schweren körperlichen Arbeiten unterstützen, z.B. Exo-Skelette zur Unterstützung körperlich beanspruchender Tätigkeiten. Aber auch der Einsatz von Robotersystemen wird sich auf der Baustelle vermehrt durchsetzen, wie verschiedene Entwicklungstendenzen zeigen, etwa der Jaibot, der anstrengende Über-Kopf-Arbeiten erledigt oder der Fliesenlegerroboter MAROON“
#Auf der einsamen Insel
Abseits der Bauausführung ist die Digitalisierung in der Wertschöpfungskette bereits besser angekommen: Hier wird online angeboten und verkauft, Software unterstützt bei der Kommunikation und den täglichen Prozessabläufen. Doch auch hier gibt es etliche Herausforderungen: Insellösungen und fehlende Schnittstellen sind echte Innovationsbremsen. „Mit BIM wurde versucht durchgängiges virtuelles Gebäudemodell zur Integration sämtlicher lebenszyklusrelvanter Informationen zu etablieren, über die Entstehungsphase eines Gebäudes hinaus, was definitiv in die richtige Richtung geht, vor allem wenn man einen Blick auf die Erfolgsgeschichte von PDM/PLM-Systemen in der industriellen Produktion wirft“ findet Rogalski. Aber BIM verlangt nicht ausschließlich 3D-Modellierungssoftware, genauso wichtig wäre es standardisierte Software z.B. für Vergabeprozesse zu etablieren und deren Einführung mit finanziellen Anreizen zu verknüpfen. So könnte auch die öffentliche Hand zum Treiber der Digitalisierung werden.
#Sicherheit, Datenschutz, Compliance (Safety Dance)
#Finanzierung
Die Einführung digitaler Technologien und Prozesse verlangt Investitionen in neue Hardware, Software und Schulungen. Viele Unternehmen, insbesondere kleinere und mittlere Betriebe, stehen vor finanziellen Herausforderungen, um diese Investitionen zu stemmen. Bereits 2016 betonte die Roland Berger Studie die Notwendigkeit von staatlicher Unterstützung und Anreizen, um die finanzielle Last zu mildern und die breitere Akzeptanz der Digitalisierung im Bauwesen zu fördern.
# Chance oder Risiko
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Digitalisierung des Bauwesens eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich bringt. Vor allem die Bauausführung mit ihren Eigenheiten stellt besondere Anforderungen an digitale Tools: Baustellen sind auch schmutzig und nass, Handwerker tragen oft Handschuhe und Helme. Hier gilt es unempfindliche Devices bereitzustellen und Lösungen zu entwickeln, die einfach zu bedienen sind. Rogalski: „Mit dem Helmkamerasystem DIGIBAU 360 zur durchgängigen, digitalen Baustellendokumentation von Open Experience ist unter Mitwirkung meiner Forschungsgruppe solch ein Lösungsbeitrag gelungen.“
Die digitale Transformation bietet enorme Chancen für die Bauindustrie, erfordert jedoch eine strategische Herangehensweise und einen umfassenden Wandel, um die Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Gut, wenn man da einen Partner an der Seite hat, der sich sowohl mit der Realität des Planens und Bauens auskennt als auch mit den digitalen Möglichkeiten.
Wir von Teamsware wollen verbinden, Brücken bauen, Wissen vermitteln und Begeisterung an den neuen Technologien wecken. Wir können Sie bei der Digitalisierung Ihres Unternehmens unterstützen. Sprechen Sie uns an.
Wir danken Prof. Dr. Sven Rogalski für dieses Interview!
Roland-Berger-Studie „Digitalisierung der Bauwirtschaft“ https://www.rolandberger.com/publications/publication_pdf/roland_berger_digitalisierung_bauwirtschaft_final.pdf